700 Jahre Marktrecht

Als König Ludwig der Stadt das Marktrecht verlieh

Bad Königshofen (hf). Es war am 10. August 1323 um 12 Uhr, als die große Glocke vom Turm der Stadtpfarrkirche in Königshofen den ersten Markttag einläutete, der am folgenden Tag stattfand. Dazu gab es auch eine Urkunde, die König Ludwig der Bayer ausgestellt hatte und an Graf Berthold VII. von Henneberg überreichte. Damit durfte die Stadt Abgaben erheben, die allerdings für die Stadtbefestigung investiert werden mussten. Das war vor 700 Jahren. Grund genug für Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert einmal akribisch alte Dokumente zu sichten und nachzuforschen, was es mit dem Marktrecht eigentlich auf sich hat.

Reinhold Albert: Da die Handelsleute vom Zoll befreit waren, war dieser Markt (der heutige Markustag-Markt) laut Johann Wilhelm Rost, der 1832 die erste geschichtliche Abhandlung über Königshofen und das Grabfeld verfasste, ein Freimarkt. Die Markterhebungsurkunde von 1473 erweiterte Fürstbischof Rudolf von Scherenberg, nachdem die Stadtväter beklagten, dass sie an Jahrmärkten Mangel hätten. Der Stadtschreiber überlieferte zudem, dass die Viehmärkte in Königshofen 1681 ihren Anfang nahmen.  Die älteste bekannte Marktordnung stammt aus dem Jahr 1764.

Gab es besondere Markttage?

Reinold Albert:  Ja, es gab auch einen sogenannten „Goatmärt“ (Gattungs- oder Heiratsmarkt). So wurden die Märkte an Josefi (19.3.) und der Markt am Pfingstmontag in Königshofen genannt.  Jeder Bursche und jedes Mädchen aus dem Königshöfer Land und darüber hinaus ließ es sich nicht nehmen, an diesem Tag zum Markt zu eilen, um u. U. den Zukünftigen kennenzulernen. Lehrer Eusebius Huthöfer aus Ottelmannshausen überlieferte 1932 in diesem Zusammenhang ein altes Sprichwort:  Wer nichts erheiratet und nichts ererbt, der bleibt ein armer Mann, bis er stirbt!

Wer war auf den Märkten vertreten?

Reinhold Albert: Häfner, Siebmacher, Tabaks- und Zwiebelkrämer, Schuster, Zeugmacher, Küfner, Sattler, Seiler, Weißgerber, Handschuhmacher, Strumpfkrämer, Kandelgießer, Salbenkrämer, Kupferschmiede, Eisenkrämer, Blechner, Lebküchner und Wollweber. Hinzukamen die Tuchhändler aus Neustadt und Bischofsheim, die Topf-, Würz-, Messer-, Wetzstein- und Ofenröhrenkrämer, die Haubenmacher, Bändleinkrämer, Rothgerber und Seidenwarenhändler. Der große Marktplatz und die Umgebung waren also dicht mit Ständen der Krämer und Händler, die vielerlei Waren anboten, gefüllt. Verkäufer kamen aus allen Himmelsrichtungen, so unter anderem aus Schweinfurt, Suhl, Schmalkalden, Köln, ja sogar aus Tirol und dem „Welschland“ (Italien). Dazu gesellten sich Bauers- und Handwerksleute aus der näheren Umgebung. Zahlreiche Besucher aus dem Grabfeld und den angrenzenden Bereichen sowie den sächsischen Nachbarländern strömten nach Königshofen.

Gilt diese Marktordnung von damals heute noch?

Reinhold Albert: Die Marktordnungen wurden jeweils der neuen Zeit angepasst. So ist 1884 vermerkt, dass alljährlich 11 Jahr-, 13 Vieh-, 24 Schweine- und vier Schafmärkte abgehalten werden. Die Rindviehmärkte fanden auf dem Marktplatz, der Zuchtbullenmarkt auf dem „Brügel“, Schweinemärkte auf dem Hafenmarkt statt. Die Platzmiete betrug je Korb 10 Pfennig. Die Schafmärkte in den Monaten Februar, März, November und Dezember wurden auf der städtischen „Bleichwiese“ (Tuchbleiche) abgehalten, jene im Juni, September und Oktober auf dem „Brügel“. Einst gab es in Königshofen auch Pferde-, Geflügel-, Getreide-, Hopfen- und Geflügelmärkte. Ja, sogar ein Wollenmarkt fand am 14. Juni jeden Jahres statt.

Wie kann ich mir so einen Markt vorstellen? Wurden da die Waren lautstark angeboten?

Reinhold Albert: Marktschreierisches Gebaren war bei den Jahrmärkten gänzlich verboten, ebenso Versteigerungen sowie das Hausieren mit den Marktartikeln während des Marktes. Es wurde weiter angeordnet, dass bei allen Viehmärkten geschäftliche Verhandlungen und Abschlüsse nur in deutscher Sprache mit gemeinverständigen Ausdrücken getätigt werden dürfen. Dazu muss man wissen, dass in der Zeit vor dem Ersten Weltkrieg die Mehrzahl der Markthändler Juden waren. Damit die Marktbesucher sich mehr oder weniger mit diesen verständigen konnten, wurde um 1890 ein Buch mit dem Titel: „Die geheime Geschäfts-Sprache der Juden – Ein Hand- und Hilfsbuch für alle, welche mit Juden in Geschäftsverbindung stehen und der hebräischen Sprache (sog. Marktsprache) unkundig sind.“ aufgelegt.

Gab es auch an den Sonn- oder Feiertagen Märkte in der Stadt? Wie reagierte die Geistlichkeit?

Reinhold Albert: Märkte an Sonntagen waren der Geistlichkeit zuwider. Schon in den Jahren 1914 bis 1918 waren die Märkte wegen des Kriegs auf die Sonn- und Feiertage verlegt worden, wogegen insbesondere die Geistlichkeit im Grabfeld wiederholt wetterte. Der verderbliche Einfluss dieser Markttage wäre deutlich wahrzunehmen, da vor allem auch die Jugendlichen zum Markte drängen, behaupteten sie. 1923 beantragte die Stadt Königshofen beim königlichen Bezirksamt Königshofen eine Verlegung der Jahrmärkte auf die folgenden Sonn- und Feiertage. Der Königshöfer Bezirksamtmann Adolf Beckerle erwiderte, dass es die Pfarrämter vom seelsorgerlichen Standpunkt aus außerordentlich bedauern würden, wenn dies geschähe. Die damit gewöhnlich verbundenen Tanzbelustigungen für die Landjugend würden eine Förderung der ohnehin beklagenswerten Vergnügungssucht bedeuten. Trotzdem verlegte der Stadtrat eigenmächtig verschiedene Märkte auf Sonntage. Die Folge war disziplinarisches Einschreiten gegen den Königshöfer Bürgermeister.

Welche Märkte haben sich über die Jahrhunderte gehalten_

Reinhold Albert: Die alten Ordnungen von 1884 und 1913 wurden nach Ende des Zweiten Weltkriegs im Jahre 1951 angepasst. Es gab elf Jahrmärkte, die nur je einen Tag dauern durften und zwar von 9 – 18 Uhr. Fiel der Jahrmarkt auf einen Sonntag, wurde der Zeitpunkt des Marktbeginns wegen des Gottesdienstes auf 11 Uhr festgesetzt. Das Feilbieten der Warendurfte nur in Verkaufsbuden, -ständen oder -tischen auf dem Marktplatz erfolgen. Diese wurden von der Stadtgemeinde Königshofen gestellt. Ortsansässige Gewerbetreibende hatten gegenüber auswärtigen Marktverkäufern bei der Reihenaufstellung und Platzanweisung den Vorzug. Sie waren nach dieser Marktordnung von der Entrichtung einer Marktgebühr befreit.

Was wurde aus den Viehmärkten?

Reinhold Albert: Dazu gab es eine „Viehmarktordnung“. In dieser wurde u. a. bestimmt, dass alle 14 Tage am Donnerstag Schweinemärkte abgehalten werden durften. Es gab vier Schafmärkte jeweils am 1. Montag von August – Dezember, dazu zwei Zuchtviehmärkte im Mai und Juni.  In der Ordnung wurde ausdrücklich bestimmt, dass während des Marktes „das Lärmen, Schimpfen und Streiten“ verboten ist. In der 1951 erlassenen Gemüse- und Obstmarktordnung heißt es: „Gemüse und Obstmärkte finden täglich, ausnahmlich Sonn- und Feiertagen, ferner an den Jahrmärkten statt. Gegenstände des Marktverkehrs sind Kartoffeln, Obst, Gemüse jeder Art, Sämereien, Gemüsepflanzen und Blumen.“ Diese Märkte gibt es meiner Kenntnis nach spätestens seit den 1970er Jahren nicht mehr.

Wie ist es heute? Wie viele Märkte gibt es noch?

Reinhold Albert: Seit 1992 ist festgelegt, dass die Jahrmärkte, der Wochenmarkt für Obst, Gemüse und Blumen sowie die Märkte für Geflügel und Kaninchen auf dem Marktplatz stattzufinden haben, während der Platz für Schweine- und Schafmärkte der Hafenmarkt ist.

Schon lange gibt es in Bad Königshofen keine Schweine-, Schaf- oder Rindviehmärkte mehr. Nur noch historische Fotografien künden von diesen einst für die Landbevölkerung so wichtigen Einrichtungen. Neu hinzugekommen ist seit einigen Jahren ein Kunst- und Kunsthandwerkermarkt am zweiten Septemberwochenende. Nachdem die Märkte kaum noch besucht sind, wurden sie 2023 reduziert: Anstelle von zehn gibt es künftig nur noch fünf. Es gibt vier Sonntagsmärkte und den Thomasmarkt am 21. Dezember mit dem Auftritt des Christkinds und des Stadtnikolauses.

Die Markterhebungsurkunde von Königshofen in einer Abschrift. Foto: Hanns Friedrich

Bis in die 1970er Jahre fand noch der „Säulesmarkt“ in Königshofen auf dem östlichen Marktplatz statt. Repro-Foto: Hanns Friedrich

700 Jahre Marktrecht waren Grund genug für Kreisheimat- und Archivpfleger Reinhold Albert einmal akribisch alte Dokumente zu sichten und nachzuforschen. Foto: Hanns Friedrich