Geschleifte Dörfer

Reinhold Albert: „Nur die Toten durften bleiben“

Bad Königshofen (hf). Man sah es immer wieder, wie die Zuhörer im Kulturarsenal Darre in Bad Königshofen die Köpfe schüttelten, sich Unverständnis breit machte. Man konnte es einfach nicht nachvollziehen, wie das DDR Regime mit den Menschen, die zu nahe am Todesstreifen wohnten, umgingen. Ganze Dörfer, Gehöfte, Weiler wurden abgesiedelt und dem Erdboden gleich gemacht. Kreisheimatpfleger Reinhold Albert bei seinem Vortrag zum Thema „Die verschwundenen Dörfer“: Nur die Toten durften bleiben. Heute findet man deshalb die Friedhöfe, teils ein paar Grundmauern, den Brunnen und das Trafohäuschen. Reinhold Albert hatte solch einen Abriss von westdeutscher Seite als Grenzpolizist miterlebt: Erschütternd, unvorstellbar!“ Erinnerungssteine, oder, wie in Billmuthhausen, Informationstafeln und Reste des Dorfes sind vorhanden. Eine Bronzetafel ist auf einen Stein angebracht, da die erste gestohlen wurde.

Der Referent sagte seinen Zuhörern, dass diese Zwangsaussiedlungen 1952 und 1961 unter der Bezeichnung „Kornblume“ und „Ungeziefer“ bezeichnet wurden. Zahlreiche Dörfer, Ortsteile und Einzelgehöfte verschwanden damit von der Landkarte. In Nacht-und-Nebel-Aktionen wurde die ansässige Bevölkerung in grenzfernere Gebiete umgesiedelt. Allein im DDR-Bezirk Suhl wurden 44 Dörfer, Weiler und Gehöfte dem Erdboden gleichgemacht, nur weil sie zu nahe an der innerdeutschen Grenze lagen. Dazu gehörte die Birxer -Öl Mühle, südlich von Frankenheim in der Rhön. Heute findet man noch Mauerreste, den ehemaligen Wassergraben, den Mühlstein und den Rest des Mühlrades. Die Birxmühle war die höchstgelegene Mühle in der Rhön und einst idealer Umschlagplatz für Schmuggler. Am 3. Oktober 1961 musste die Birxer Mühle, ohne Vorwarnung, geräumt werden. Anschließend wurde sie dem Erdboden gleichgemacht.

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Die Zuhörer erfuhren vom Höhenluftkurort „Sophienhöhe“ einem Haus mit 80 Betten Es lag über 700 m hoch im Leubacher Grund. Am 31. August 1967 wurde der vierstöckige Bau vollkommen zerstört. Gleichzeitig fielen drei Hektar Wald den Motorsägen zum Opfer, damit das Gebiet an der Grenze überschaubar wurde. Die Obere Mühle in Gerthausen nannte Reinhold Albert und den Gereuthhof. Er lag zwischen Weimarschmieden und Helmershausen. Die Eigentümerfamilie Bender wurde am 6. Juni 1952 zusammen mit neun weiteren Familien aus Schmerbach und Helmershausen ohne Vorankündigung innerhalb weniger Stunden zwangsausgesiedelt. 1966 wurde das Wohnhaus des Gutes Gereuthhof abgerissen, 1974 die restlichen Gebäude. Im gleichen Jahr fiel das Grenzdorf Schmerbach, zwischen Helmershausen und Filke den SED-Machthabern zum Opfer. Vom Ort Ruppers wusste Reinhold Albert, dass es sich hier um ein Schloss des Barons Otto von Stein handelte. Er wurde mit Gesetz von 10.9.1945 enteignet. 1980 wurde Ruppers dem Erdboden gleichgemacht. An die Stelle trat eine Schweinestallanlage der LPG. Ebenfalls eingeebnet wurde der Weiler Oberharles. Er bestand aus drei Wohngebäuden und zwei Höfen.

1982 mussten alle Bewohner Oberharles verlassen, ein Jahr später wurde der Weiler, nahe Eussenhausen, dem Erdboden gleichgemacht. Kätzerode lag einst bei Bibra und wurde 1983 zerstört. Dass sich hier einmal eine Siedlung befand, erkennt man an einigen Grundmauern und an der Dorflinde, die einst inmitten des eingeebneten Weilers stand. Im Milzgrund, nahe der „Hohen Wart“, lag die Ammersbachsmühle. Sie soll das letzte Gebäude des im Dreißigjährigen Krieg zerstörten Dorfes Brunndorf gewesen sein. 1973 wurde sie zerstört. Zu Leitenhausen sagte Reinhold Albert, dass der Ort am Südhang des Spanshügels 1972 abgerissen wurde. Gompertshäuser Bürger, Mitglieder der Feuerwehr und Gemeindevertreter wurden mit den Abrissarbeiten beauftragt. Heimlich wurden letzte Fotos gemacht. Wo einst das Gutshaus stand, steht heute ein Gedenkstein und gegenüber wurde ein vergessener Brunnen wieder aktiviert. Nicht zu vergessen eine Glocke, 1694 in Coburg gegossen, und von Schmiedemeister Erich Siebensohn vor der Vernichtung gerettet.

Die Geschichte von Erlebach reichte bis ins Mittelalters zurück reicht. Der Gutshof bestand aus zwei Herrschaftshäusern, einer Mahlmühle sowie eine Ziegelhütte mit einem Kalkofen. Der Grenzzaun verlief unmittelbar an der Gemarkungsgrenze des Ortes. Ein Schlagbaum wurde direkt vor dem Ort installiert. 1982 wurden die Bewohner mündlich darüber informiert, dass Erlebach vollständig ausgesiedelt und der Ort wegen seiner unmittelbaren Grenznähe dem Erdboden gleichgemacht wird. Ein Begriff ist heute Billmuthausen bei Bad Colberg. Ab Mai 1952 war Billmuthausen nur noch per Passierschein erreichbar. Der Ort zählte damals 50 Einwohner. Am 20. Juni 1952 flüchteten sieben der acht Umsiedlerfamilien mit 34 Personen ins bayerische Gauerstadt. Als das Gotteshaus baufällig geworden war, befahlen die Machthaber 1965 den Abriss. Nicht einmal als Baumaterial durften die Steine der Kirche von Billmuthausen verwendet werden. Am 1. September 1978 verließ die letzte Familie Billmuthausen. Heute ist Billmuthhausen ein weitbekannter Erinnerungsort, unter anderem ist dort ein Stein dieser Kirche in einer Gedenkstätte zu sehen.

Erst 1986 wurde das ehemalige Rittergut Massenhausen bei Eishausen, heutige Gemeinde Straufhain abgerissen. In der Nähe von Neustadt bei Coburg lag Liebau im Landkreis Sonneberg. 1975 wurde das gesamte Gebäudeensemble dem Erdboden gleichgemacht. Nicht nur Gehöfte und Weiler erlitten dieses Schicksal, auch Orte im Landesinneren. Als Beispiel nannte Reinhold Albert Friedenthal, einem Gemeindeteil von Pfersdorf bei Hildburghausen. Der Ort wurde im Stil der Grenzebefestigungsanlagen mit Stacheldraht eingezäunt. Übungen der Zivilverteidigung und der Betriebskampfgruppen gaben der ehemaligen Ansiedlung den Rest und ums Haar wäre auch Friedenthal wüst geworden. Doch da kam die friedliche Revolution in der DDR dazwischen und in unseren Tagen regt sich neues Leben in den Ruinen.

Die nächsten Vorträge des Vereins für Heimatgeschichte im Grabfeld finden künftig im Kulturarsenal Darre in der Elisabethastraße in Bad Königshofen statt. Am Montag, 28. Oktober wird ein Film zu sehen sein, der früher in den Grenzinformationsstellen gezeigt wurde. Er verdeutlicht die damalige Situation an der deutsch-deutschen Grenze im sogenannten „Kalten Krieg“. Am 8. November um 13 Uhr wird dann im Museum Schranne die Ausstellung des Geschichtsvereins „Es war einmal – Die DDR“ eröffnet.